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Subject: Neue Sicherheitsdoktrin für Österreich
Date: Sun, 4 Apr 2010 16:02:18 +0200
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
aufgrund einerseits der bevorstehenden Wahl und andererseits zweier Meldungen auf ORF.ON wende ich mich mit
konkreten Fragen an Sie.
Gerne sind aber auch die betreffenden Minister Doktor Spindelegger und Magister Darabos zu einer Stellungnahme eingeladen.
Es geht um die beiden nachfolgend zitierten Meldungen:
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Spindelegger für neue Sicherheitsdoktrin
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) verlangt rasche Verhandlungen der Parlamentsparteien über eine neue Sicherheitsdoktrin. "Wir brauchen einen breiten politischen Konsens. Die Sicherheitsdoktrin hat ja direkte Auswirkungen auf die Budgetgestaltung der Ressorts", sagte der Minister im Gespräch mit der Tageszeitung "Kurier" (Samstag-Ausgabe).
In der Sicherheitsdoktrin verankern möchte Spindelegger die Teilnahme Österreichs am NATO-Programm Partnership for Peace (PfP), die sich bewährt habe. Eine NATO-Mitgliedschaft sei derzeit kein Thema: "Das ist keine realistische Option, aber man muss auch darüber reden können."
Immer mehr Auslandsengagements
Der Außenminister leitet die Notwendigkeiten für eine neue Sicherheitsdoktrin aus der Bundesheer-Reform, dem immer wichtiger werdenden Auslandsengagement Österreichs und aus dem neuen Lissabon-Vertrag ab. "Es gibt in der EU eine neue faktische Situation: Die Außen- und Sicherheitspolitik ist ein Schwerpunkt des Lissabon-Vertrages."
Die aus dem Jahr 2001 stammende Doktrin würde diese neue Realität, wie sich Österreich stärker in die EU einbindet, nicht berücksichtigen.
Über EU-Armee "diskutieren"
Spindelegger geht davon aus, dass Kriseneinsätze der EU zunehmen werden. Dafür werden jetzt auch die Battle Groups aufgebaut, an denen auch Österreich mitarbeitet. Auch dem Vorschlag einer EU-Armee sollte sich Österreich nicht entziehen: "Für mich bleibt die Frage auf der Agenda. Diese Pläne müssen wir mitberücksichtigen und diskutieren."
http://orf.at/ticker/363753.html - 2.4.2010
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Sicherheitsdoktrin: Darabos begrüßt "Ja der ÖVP"
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) begrüßt "das Ja der ÖVP zu seinem Vorschlag, die Sicherheitsdoktrin zu überarbeiten", wie es in einer Aussendung des Ministers gestern hieß. Eine Änderung der Sicherheitsdoktrin aus dem Jahr 2001 sei notwendig, da die aktuelle Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin "noch aus der schwarz-blauen Koalition stammt und politisch wie inhaltlich überholt ist", hatte Darabos Anfang März erklärt.
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte im Gespräch mit dem "Kurier" (Samstag-Ausgabe) rasche Verhandlungen der Parlamentsparteien über eine neue Sicherheitsdoktrin verlangt: "Wir brauchen einen breiten politischen Konsens. Die Sicherheitsdoktrin hat ja direkte Auswirkungen auf die Budgetgestaltung der Ressorts."
Aktuelle Doktrin "zu NATO-affin"
Darabos habe Spindelegger nun schriftlich zu Gesprächen zur Revision der Sicherheitsdoktrin eingeladen, hieß es in der Aussendung. Die Sicherheitsdoktrin 2001 sei erstmals gegen den Willen der Opposition von der schwarz-blauen Regierung beschlossen worden. Darabos wolle einen transparenten Überarbeitungsprozess mit dem Koalitionspartner und dem Parlament starten.
Die bestehende Doktrin sei zu NATO-affin und berücksichtige aktuelle sicherheitspolitische Bedrohungen wie Cyberkriminalität, Terrorismus und internationale Migrationsströme nicht, hatte Darabos Anfang März erklärt.
http://news.orf.at/ticker/363828.html - 4.4.2010
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Es mag vielleicht ein ungewöhnlicher Weg sein, als "einfacher Bürger und Wähler" solche Themenstellungen aufzugreifen und die Fragen direkt zu adressieren.
Dennoch erbitte ich Ihre Antworten zu:
* Auffällig ist, dass Herr Minister Darabos eine Überarbeitung der Sicherheitsdoktrin insbesondere deshalb für sinnvoll erachtet, weil sie
"zu NATO-affin" sei, während Herr Minister Spindelegger ja "
die Teilnahme Österreichs am NATO-Programm Partnership for Peace (PfP), die sich bewährt habe"
verankert haben möchte und obendrein meint:
Eine NATO-Mitgliedschaft sei derzeit kein Thema: "Das ist keine realistische Option, aber man muss auch darüber reden können." Also eigentlich das genaue Gegenteil! Gerade die Außen- und Sicherheitspolitik eines immer noch neutralen Landes ist ein zu heikles Thema, um solches Verwirrspiel damit zu treiben. Wie ist Ihre Position als Oberbefehlshaber des Bundesheeres zu diesem zentralen Thema und dieser sich hier entspinnenden Diskussion?
* Als Bundespräsident waren bzw. sind Sie nach wie vor der Auffassung, dass der
Vertrag von Lissabon zur Österreichischen Bundesverfassung nicht im Widerspruch steht und z.B. keine Prüfung diesbezüglich durch den Verfassungsgerichtshof notwendig wäre (wie dies in Deutschland sehr wohl erfolgt ist). Wie sehen Sie im Licht dieser Auffassung die deutlichen Bezugnahmen von Herrn Minister Spindelegger auf den Lissabon-Vertrag für die Veränderungsnotwendigkeiten in der (laut Herrn Minister Darabos sogar "
NATO-affinen") Sicherheitsdoktrin: "
Es gibt in der EU eine neue faktische Situation: Die Außen- und Sicherheitspolitik ist ein Schwerpunkt des Lissabon-Vertrages. Die aus dem Jahr 2001 stammende Doktrin würde diese neue Realität, wie sich Österreich stärker in die EU einbindet, nicht berücksichtigen."? Wie ist in dem Zusammenhang und mit Bezugnahme auf die angebliche "
Verfassungstauglichkeit des Lissabonvertrags" der Aufbau einer "EU-Armee" und der Battle Groups (sic.) unter Beteiligung des neutralen Österreich zu sehen?
Fragen, die sich wohl viele Bürger stellen - und Antworten darauf haben möchten - von jenen, denen sie Vertrauen geschenkt und so ein Amt gegeben haben.
Ich werde mir erlauben, die hier beginnende Korrespondenz auch auf meiner Homepage zu veröffentlichen.
Hochachtungsvoll
Gerhard Kuchta